Landschaft, Psychologie & Gesundheit
Sehnsucht nach Landschaft
Obwohl es die meisten Menschen nicht wissen und auch nicht direkt merken, steckt tief in uns allen eine große Sehnsucht nach Landschaft und Weite. Seit der Zeit der Urmenschen ist diese Sehnsucht untrennbar in unseren Genen verankert.
Schon für die Steinzeitmenschen war der ständige Wechsel zwischen weiter Landschaft (Jagen, Sammeln, Ackerbau und Viehzucht) und der heimischen Höhle (später Behausung) ein körperlicher und psychologischer Reiz, der ihr Immunsystem in Trab hielt und die Gesundheit förderte.
Später wurden aus der unbegrenzten, weiten Landschaft die überschaubaren, bewirtschafteten Flächen und die Weidegründe im Wald. Statt in kalten Höhlen wohnten die Menschen jetzt in Hütten und noch später in Häusern. Der Wechsel von Weite und Geborgenheit blieb aber über Jahrtausende erhalten.
Veränderte Landschaften
Die Industrialisierung kam mit tiefgreifenden Veränderungen der Landschaft einher. Immer größere Landschaftsbereiche wurden abgebaut, bebaut oder anderweitig verändert.
Die gravierendsten Veränderungen erlebte die Landschaft in den letzten Jahrzehnten. Ein dichtes Netz von Verkehrsverbindun- gen, aus dem Boden schießende Windkraftanlagen, Biogas- anlagen, Überlandleitungen und der extreme Maisanbau sind prägend für das heutige Landschaftsbild.
Veränderte Menschen
Diese Veränderungen der Landschaft fallen zunächst nicht so schwer ins Gewicht, denn sie vollziehen sich schleichend. Das Unterbewußtsein der Menschen merkt aber sehr schnell, dass mit der ursprünglichen Sehnsucht nach weiter, offener Landschaft etwas nicht mehr stimmt. Und ganz unbewußt - dafür aber umso tiefgreifender - fühlen sich die Menschen einfach nicht mehr wohl in ihrer Umgebung und ihrer Landschaft.
Leider eskaliert diese Entwicklung durch eine zunehmende Entfremdung des Menschen von der Natur und der Landschaft. Die meisten Menschen pendeln heute nur noch zwischen Arbeit, Shopping, ihrem Zuhause und diversen Events hin und her. Sie kommen nicht mehr zur Ruhe und laufen vor sich selbst davon. Nur noch in der Gesellschaft oder besser: in der Masse fühlen sie sich scheinbar wohl.
Ruhe und Entspannung in der Natur und der Landschaft suchen die Menschen immer seltener. Damit finden sie auch immer seltener zu sich selbst und zu den Fragen:
Wer bin ich eigentlich?
Wo stehe ich?
Wohin will ich?
Die Gesundheit rächt sich
Die ständige Anspannung der Menschen durch die Reiz- überflutung im Beruf und im Privatleben, der Raubbau an der Gesundheit (z.B. durch Bewegungsmangel und Übergewicht) führen im Zusammenspiel mit fehlender Ruhe und Entspannung in der Natur u.a. zu den bekannten Zivilisationskrankheiten Depression und Burn-out.
Diese zunächst psychischen Probleme sind die Vorläufer für diverse psychosomatische Erkrankungen, die fast alle Organe des menschlichen Körpers erfassen können. Es ist kein Geheimnis mehr, dass die allermeisten körperlichen Erkrankungen seelischen Ursprungs sind.
Was bleibt zu tun?
1.) Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die noch verbliebenen natürlichen Landschaftsreste zu schützen. Leider passiert aber genau das Gegenteil: Neue Gesetzgebungen weichen die Vorschriften auf und ermöglichen ein noch zügigeres Durchwinken auch von kritischen Bauvorhaben.
2.) Alle BürgerInnen sind aufgefordert, beim Gehen oder Fahren durch die Landschaft die Augen offenzuhalten und land-schaftsverändernde Baumaßnahmen kritisch zu hinterfragen und ggf. zu melden.
3.) Die Menschen müssen wieder lernen, sich regelmäßig in die Natur zu begeben und z. B. beim Wandern, Radfahren, Angeln oder Segeln Ruhe und Ausgleich zu finden. Dazu muss man sie im wahrsten Sinn des Wortes "an die Hand nehmen". Und noch gibt es einige schöne und relativ intakte Landschaftsbereiche.
4.) Für Kinder muss es wieder zur Selbstverständlichkeit werden, Wälder, Bäche und Wiesen als spannende Spielplätze zu benutzen. Hier sind Eltern und Lehrer besonders angesprochen.
Text und Fotos: Dr. Hans-Joachim Andres
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